Zum Internationalen Tag der Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
Formen und Ausmaß der Gewalt
Frauen erleiden weltweit Gewalt. Auch Männer sind in vielfacher Hinsicht Gewaltopfer (als Kinder in der Familie, in geschlossenen Organisationen wie dem Militär, als politische Gefangene und im Krieg). Die Gewalt gegen Frauen unterscheidet sich von der gegen Männer dadurch, dass sie in der überwiegenden Anzahl der Fälle vom anderen Geschlecht, eben durch Männer, ausgeübt wird.
Sexual- und andere Verbrechen in und nach Kriegen
Wenn Gewalt wie im Krieg zum täglichen Handwerk gehört, ist die Machtlosigkeit aller Frauen, Kinder und waffenlosen Männer gegenüber Waffen tragenden Männern offenbar. Sie sind den Kriegsherren ausgeliefert, wenn diese nicht die eigentlich auch im Krieg für die Zivilbevölkerung geltenden Rechte beachten.
Verstümmelung der weiblichen Genitalien
Nach Schätzungen erleiden jährlich drei Millionen Mädchen, zumeist unter 15 Jahren, eine Genitalverstümmelung (https://de.wikipedia.org/wiki/Weibliche_Genitalverst%C3%BCmmelung). Damit sollen sexuelle Lustempfindungen unterbunden werden, um den Männern die Angst vor einer lustorientierten, und damit möglicherweise untreuen Frau zu nehmen.
Terre des Femmes schätzt, dass in Deutschland ca. 20.000 Mädchen unter 18 gefährdet sind, Genitalverstümmelung zu erleiden. Ebenfalls geschätzt gibt es über 74.000 Frauen über 18, die davon betroffen sind (https://www.frauenrechte.de/images/downloads/fgm/TDF_Dunkelzifferstatistik-2020-mit-Bundeslaender.pdf).
Gewalt in Beziehungen
2019 wurden in Deutschland 115.000 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt, 117 Frauen wurden von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet (https://taz.de/Femizide-in-Deutschland/!5728408&s=Patricia+Hecht+Es+wird+Zeit/). In Beziehungen werden Männer aggressiv, die sich nicht damit abfinden können, dass die Frau ihr Recht auf ein eigenes Leben und sexuelle Selbstbestimmung wahrnimmt und sie verlässt. Es kommt zu Vergewaltigung, bis hin zum Mord.
Sexuelle Selbstbestimmung
Eine unbekannte Zahl von Mädchen wird gezwungen, einen nicht selbst gewählten Partner zu heiraten. Laut UNICEF sind weltweit 12 Millionen Mädchen unter 18 Jahren davon betroffen (https://www.zwangsheirat.de/informationen/materialien).
Auch die Entscheidung für ein Kind gehört zum sexuellen Selbstbestimmungsrecht. Nach Jahrzehnten mühsamer Liberalisierung im Gefolge der Frauenbewegung und der Wiedervereinigung (https://www.sexuelle-selbstbestimmung.de/6669/geschichte-des-widerstands-gegen-den-strafrechtsparagrafen-218/) wollen nun Abtreibungsgegner*innen und christliche Fundamentalist*innen erneut Frauen das Recht auf die Entscheidung für oder gegen einen Abbruch absprechen.
Gewalt im Internet
Eine neue Form von Gewalt gegen Frauen findet im Internet statt. Die Angriffe im Netz sind inzwischen brutaler als analoge Angriffe – kein Wunder: Die Täter konnten bis vor kurzem enthemmt Hass und Obszönitäten über die Opfer ergießen, ohne bestraft zu werden. Erst seit Anfang dieses Jahres wird Gewalt im Netz systematisch erfasst (https://taz.de/Studie-zu-Angriffen-im-Netz/!5717728/).
Gewalt im Rap
Der deutsche Rap enthält oft frauenverachtende Sprüche. Aggressive Worte, die Frauen herabsetzen (https://youtu.be/C4d8rmS6IBc), reduzieren die Schwellen des Sagbaren bei Jugendlichen wie auch bei Erwachsenen (https://noizz.de/musik/frauenhass-im-deutschrap-eine-sprachforscherin-uber-die-gefahrliche-macht-von-worten/c9xy0e3). Derartige Einflüsse spielen rechtsradikalen Gruppierungen, die Frauen als Objekte männlicher Lust und Verachtung sehen, in die Hände.
Sexualisierte Belästigung
Sexualisierte Belästigung beinhaltet sexualisierende Bemerkungen und Handlungen, die entwürdigend bzw. beschämend wirken, unerwünschte körperliche Annäherung, Annäherungen in Verbindung mit Versprechen von Belohnungen und/oder Androhung von Repressionen (https://de.wikipedia.org/wiki/Sexuelle_Bel%C3%A4stigung). Durch die #MeToo-Bewegung wurde insbesondere die Ausnutzung von Abhängigkeit in Arbeitsverhältnissen endlich öffentlich und skandalisiert. Seit 2016 ist Sexuelle Belästigung ein Straftatbestand in Deutschland.
Rechte Denkmuster fördern Männergewalt
Gewalttätige Männer leben zumindest partiell in patriarchalischen Vorstellungen. Diese Denkmuster verbinden sich auf das Trefflichste mit rechtsradikalen Überzeugungen von der ökonomischen und sozialen Abhängigkeit der Frau und ihrer grundsätzlichen Minderwertigkeit im Vergleich zum Mann. Der Kern des Rechtsradikalismus ist „die Ideologie der Ungleichwertigkeit in Verbindung mit Gewaltakzeptanz“ (Heitmeyer u.a. 2020: 20) die unter anderem auf „soziobiologischen Behauptungen natürlicher Hierarchien“ (a.a.O.) basieren. Vertreter*innen des Rechtsradikalismus nehmen überholte Traditionen wieder auf: Die Frau als Mutter, als Helferin und als Lustbeschafferin. Nicht jedoch als gleichberechtigte Partnerin, als Person mit eigenen sexuellen Wünschen und Vorlieben, als durchsetzungsfähige Kollegin oder gar Chefin. Werden die Erwartungen enttäuscht, ist bei vielen Männern (nicht bei allen!) der Weg in gewalttätiges Handeln nicht weit. Verschiedene Szenarien wie Krieg, Machtstrukturen oder ökonomische Abhängigkeit der Frau fördern die Gewalttätigkeit, unterstützt durch entsprechende Ideologien und Traditionen.
Was die OMAs gegen Rechts tun, und was sie tun können
Die älteren und alten Frauen, die sich in Gruppen zusammengefunden haben, konterkarieren das rechte Bild der Frau. Sie sind nicht gefügig, sondern ein sichtbarer Protest gegen die Verfügbarkeit der Frau. Insofern stärken wir allein durch unsere Existenz auch die jüngeren Frauen, die Gewalt noch stärker ausgesetzt sind als wir.
Durch den Kontakt mit Frauenverbänden können wir deren Ziele auf ein gewaltfreies Leben von Frauen, auch mit Männern, unterstützen. Darüber hinaus lohnt sich jedes Gespräch, sei es in der U-Bahn, auf der Straße oder im privaten Umfeld, um Frauenverachtung, die die Quelle der Gewalt gegen Frauen darstellt, zurückzuweisen.
Ariadne Morgenrot
Quellen
Femina Politica (27) 2018: Angriff auf die Demokratie
Wilhelm Heitmeyer, Manuela Freiheit, Peter Sitzer (2020): Rechte Bedrohungsallianzen. Frankfurt a.M., Suhrkamp
Eine ausführlichere Version dieses Artikels findet sich unter https://www.freitag.de/autoren/ariadnemorgenrot/25-11-tag-gegen-gewalt-an-frauen
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