OMAS GEGEN RECHTS Berlin  /  Deutschland-Bündnis

Wir vergessen euch nicht!

Eine kleine, aber sehr eindrucksvolle Demonstration für die von der Hamas entführten Kinder zog heute von der Schumannstraße aus durch Berlin. Voran leere Kinderwagen. Alle Kinder sind gleich – warum sind unsere Kinder Geiseln?, skandierten ca. 70 schwarz gekleidete TeilnehmerInnen, darunter auch ein paar solidarische OMAS. Bei der ersten Zwischenkundgebung am Unicef-Büro, das in der ehemaligen Geburtshilfe-Klinik des renommierten jüdischen Gynäkologen Paul Ferdinand Strassmann untergebracht ist, wurden Namen und Alter der verschleppten Kinder verlesen. Es ist auch ein noch namenloses Baby darunter. Am Denkmal in der Georgenstraße, das an die Kindertransporte nach England erinnert, forderten die Teilnehmer lautstark immer wieder: Bringt sie jetzt nach Hause! #BringThemHome NOW! Genau.

85 Jahre Reichpogromnacht

Am geschichtsträchtigen Ort wollen wir an die Reichspogromnacht vor 85 Jahren erinnern: 09.11., ab 18:30 Uhr, Große Hamburger Straße 26 (Mitte). Bitte kommt und gedenkt mit uns, damit es nie wieder passiert!

Dort – in der Großen Hamburger Straße 26 – befand sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts das erste Altenheim der Jüdischen Gemeinde zu Berlin; dahinter liegt der erste neuzeitliche jüdische Friedhof, auf dem u. a. Moses Mendelssohn, der Philosoph der Aufklärung, begraben ist. 1942 wurde das Altenheim von der Gestapo zum Deportationssammellager bestimmt. Hier mussten sich die Juden vor der Deportation einfinden, oder sie wurden von der Gestapo dorthin eingeliefert, wenn sie versucht hatten, sich der Deportation zu entziehen. Im Sammellager wurde das Gepäck der Juden durchsucht, und Finanzbeamte erklärten ihnen, dass ihr Vermögen eingezogen wurde. Von hier wurden die Juden dann zu den Deportationsbahnhöfen (Grunewaldrampe) gebracht.

Schaut nicht weg! Macht mit!

Schaut nicht weg – der Nazi-Terror und rechte Übergriffe werden im Prenzlauer Berg mehr. Wir wollen am 30. September, ab 14.30 Uhr dafür sensibilisieren, coole Musik hören und zusammenstehen gegen Rechts.

Es gibt jede Menge Musik, Infostände und Gespräche über:

– Nazis im Prenzlauer Berg und Pankow
– Umgang mit Opfern von Nazigewalt durch Polizei und Justiz
– Widerstand gegen Gentrifizierung im Kiez
– antifaschistische Widerstandsgeschichte

Willst du dich antifaschistisch engagieren und weißt noch nicht weiß, wo? Auf dem Kiezevent werden offene, antifaschistische Gruppen und Jugendgruppen sich und ihre Arbeit vorstellen. Die OMAS GEGEN RECHTS sind auch da. Kommt rum!

30.09.2023, ab 14.30 Uhr, Greifswalder Straße, zwischen Mühlenberg Center und Edeka

Mehr Infos hier: https://schautnichtweg.noblogs.org/108/schaut-nicht-weg-30-sept-kiezevent-gegen-rechte-gewalt-im-prenzlauer-berg/

 

Armut

Die OMAS gegen Rechts Berlin solidarisieren sich mit all jenen, die ihre Not unter dem Hashtag #IchBinArmutsbetroffen“ sichtbar werden ließen. In einem Offenen Brief machten sie ihre sozialpolitischen Forderungen öffentlich. Wir verlesen diese Forderungen jede Woche, damit das Anliegen nicht vergessen wird. Eine Betroffene, © Ella Anschein, 26, hat ihre Scham, arm zu sein, in Worte gefasst:

Neulich habe ich zum ersten Mal mit meiner Mutter über Armut geredet. Nicht, weil das kein Thema war, sondern weil das Thema war. Weil sie da war. Weil sie da war – unter den Bettdecken nachts und auf dem Tisch am Tag.

Weil sie immer da war, die Armut, weil sie uns ansah. Und weil wir uns schämten. Weil wir uns schämen. Noch immer, nach all den Jahren, schämen wir uns und zögern über jedes Wort beim Sprechen. Zögern mit Blicken auf Brötchen, die so fokussiert sind, dass die Küche um uns herum fast verschwimmt. Zögern,obwohl es doch klar ist, was los ist, was raus muss. DAS MUSS JETZT MAL RAUS! Denn ganz egal, wie wenig Mama es uns spüren lassen wollte; ganz egal wie sehr wir Kinder versuchten, keine Last zu sein: Wir waren arm. Wir waren welche von denen, die in Deutschland in relativer Armut leben. So war das. So ist das noch heute für Mama.

Sie sagt: Ich hätte Euch gerne mehr gegeben. Sie sagt: Am schlimmsten ist, dass ihr auch arm im Kopf wart, wenn Du verstehst, was ich meine. Und ich verstehe. Man sagt: Man kann das Mädchen aus der Gosse, aber nicht die Gosse aus dem Mädchen rausholen. Und so ist das wohl auch mit der Armut. Denn sie ist immer noch da. Ganz unabhängig von meinem heutigen Kontostand und Bildungsstand.

Sie ist da, sieht mich an und sagt: Ach, weißt Du noch, damals? Und ich weiß noch, damals. Und bitte die Armut ganz freundlich, sich doch bitte zu verpissen. Aber das macht sie nicht. Sie freut sich über das Bewusstsein, das ich für sie entwickle, und rückt noch ein wenig näher an mich ran, bis ich ihren Atem wieder auf meiner Haut spüre. Aber weil ein Feind, den man kennt, manchmal weniger mächtig ist, sehe ich sie jetzt an. Sehe ihr in die Augen, ins Gesicht, auf jede ihrer Poren.

Armut ist, mit Anfang 20 für Mama einkaufen zu gehen und zu hoffen, dass sie einem bloß nicht das Geld zurückgibt. Armut ist der Blick auf die Preisschilder, auch wenn er nicht mehr nötig ist. Armut ist, zu denken, dass man eigentlich was abgeben sollte, statt zu sparen. Aber man spart aus Angst vor den schlechteren Zeiten. Armut ist Harz IV. Armut ist, was die Geschwister geerbt haben; denn Armut ist, was sich durch Generationen zieht.

Armut ist, wenn Du Dich als Kind für Dein Teuersein schämst. Armut ist, das dritte Kind zu sein in einem Staat, in dem Armutsrisiko ab dem dritten Kind exponentiell ansteigt. Armut ist, dass es Urlaub gibt, weil die Krankenkasse die Mutter-Kind-Kur bewilligt. Armut ist, wenn es nur am Anfang des Monats Bananen gibt. Armut ist, nicht fragen, ob man auf Ski-Freizeit oder Oxford-Austausch mit kann, weil Mama dann wieder an Medikamententests teilnimmt. Das gibt immerhin 50 €, aber fünf mal allergischer Ausschlag für fünf Tage Englandfahrt muss ja nicht. Will man auch nicht. Armut ist, dass Mama irgendwann so müde und so traurig wird. Oder furchtbar wütend.

Armut ist, wenn Papa schimpft, weil man doch fragen soll, wenn man was braucht, aber man verlernt hat zu sagen, wenn man was braucht; weil Papa sich nicht vorstellen kann, dass sein Kindesunterhalt nicht ausreicht für die Zahnspangen, die Brillen und die Klassenfahrten. Und weil Papa nie fragt, ob was ausreicht, weil andere Dinge wichtiger sind.

Armut ist, ganz früh zu wissen, dass man nicht besonders wichtig ist. Armut ist: Geschlagen werden auf dem Schulhof, weil die Kleidung nicht passt, geschweige denn gut aussieht. Armut ist, sich an das erste Mal zu erinnern, als man an der Eisdiele haben durfte, was man will. Und dass man einmal tatsächlich und wirklich im Fantasialand war, so in echt.

Armut ist, was sich die Menschen, die über Sozialgesetzgebung abstimmen, nicht vorstellen können. Armut ist, was sich Horst Seehofer nicht vorstellen kann, wenn er über Armutsflüchtlinge spricht. Absolute Armut ist etwas, das ich mir nicht vorstellen möchte, weil mir die relative schon zu viel ist. Denn egal, wie Du Dich duscht, Du kriegst sie nicht ab, und was Du auch tust, sie steht dort und packt Dich wieder und wieder da, wo es weh tut. Denn Armut ist Sucht und Depression, sich also ständig fragen: Ist das schon zu viel oder geht das noch so?

Armut ist ein Kreislauf, aus dem niemand so schnell ausbricht. Aber wenn man Glück hat, wenn man wirklich Glück hat, dann kann man eine Nische finden. Lesen und denken, sich interessieren. Rausgehen, in andere Welten. Und sich wiederfinden unter nicht-armen Menschen und sich deplatziert fühlen, fast so, als würde man lügen, wenn man sich so benimmt, als würde man dazugehören.

Armut ist: Sich schämen, wenn man mit Anfang 20 in der Küche sitzt und zögert. Und dann doch den Blick vom Brötchen nimmt und endlich! Endlich über Armut spricht.

Ich kann die Armut nicht mehr aus meinem Körper rausnehmen. Aber ich kann reden. Und ich sage: Danke, Mama. Danke fürs Sprechen, fürs Überwinden, fürs Verstehen. Und weißt Du, Mama … ich glaube, nicht wir müssen uns dafür, dass es Armut gibt, schämen.

[Autorin: Ella Elia Anschein, Celle]

Nein, jetzt kommt kein Spendenaufruf. Aber die dringliche Bitte, sich mit uns für die Anliegen der von Armut Betroffenen stark zu machen.

Dank an den parlamentarischen Beobachter

Für unseren Protest gegen den Aufzug der AfD am 8.10.2022 und die dazugehörige Gedenkveranstaltung beim Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma im Tiergarten hatten wir glücklicherweise Ruppert Stüwe als parlamentarischen Beobachter gewinnen können. Etwas spät, aber umso nachdrücklicher haben wir dem Bundestagsabgeordneten der SPD für sein Engagement gedankt:

Wie erhofft, haben Ihre Interventionen bei den Einsatzkräften hier und da etwas bewirkt. Leider konnten weder wir noch Sie verhindern, dass Sympathisanten der AfD beim Zurückströmen durch unsere Kundgebung laufen durften. Die Polizei drängte sogar eine OMA, die sich den Rechten direkt am Simsonweg entgegenstellte, aktiv weg. Die systematische Auswertung ergab inzwischen, dass die Einsatzkräfte angemeldeten Gegendemonstranten und ihren Sympathisanten die Zugänge zum Kundgebungsort erschwerten bzw. verwehrten. Damit wird das verbriefte Recht auf Gegenprotest ausgehebelt. Diese Erfahrung, dass sich die Polizei keineswegs neutral verhält, wie es ihre Aufgabe wäre, ist leider kein Einzelfall. Wir möchten den Kontakt mit Ihnen gern halten. Denn Ihr Auftreten am 8. Oktober 2022 haben alle OMAs als hilfreich, wohltuend und engagiert in der Sache empfunden! DANKE dafür.“

Zur Erläuterung: Parlamentarische Beobachter sind bei Demonstrationen und Bürgerprotesten direkt vor Ort, um die Sicherheitskräfte zu beobachten, ihre Amtsausübung zu dokumentieren und zu kontrollieren. Sie vermitteln gewissermaßen zwischen Demonstranten und Polizisten und versuchen übertriebene Härte, Eskalation und Rechtsbrüche auf beiden Seiten zu verhindern. Sie schützen so das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Art 8 Grundgesetz).