OMAS GEGEN RECHTS Berlin  /  Deutschland-Bündnis

Armut

Die OMAS gegen Rechts Berlin solidarisieren sich mit all jenen, die ihre Not unter dem Hashtag #IchBinArmutsbetroffen“ sichtbar werden ließen. In einem Offenen Brief machten sie ihre sozialpolitischen Forderungen öffentlich. Wir verlesen diese Forderungen jede Woche, damit das Anliegen nicht vergessen wird. Eine Betroffene, © Ella Anschein, 26, hat ihre Scham, arm zu sein, in Worte gefasst:

Neulich habe ich zum ersten Mal mit meiner Mutter über Armut geredet. Nicht, weil das kein Thema war, sondern weil das Thema war. Weil sie da war. Weil sie da war – unter den Bettdecken nachts und auf dem Tisch am Tag.

Weil sie immer da war, die Armut, weil sie uns ansah. Und weil wir uns schämten. Weil wir uns schämen. Noch immer, nach all den Jahren, schämen wir uns und zögern über jedes Wort beim Sprechen. Zögern mit Blicken auf Brötchen, die so fokussiert sind, dass die Küche um uns herum fast verschwimmt. Zögern,obwohl es doch klar ist, was los ist, was raus muss. DAS MUSS JETZT MAL RAUS! Denn ganz egal, wie wenig Mama es uns spüren lassen wollte; ganz egal wie sehr wir Kinder versuchten, keine Last zu sein: Wir waren arm. Wir waren welche von denen, die in Deutschland in relativer Armut leben. So war das. So ist das noch heute für Mama.

Sie sagt: Ich hätte Euch gerne mehr gegeben. Sie sagt: Am schlimmsten ist, dass ihr auch arm im Kopf wart, wenn Du verstehst, was ich meine. Und ich verstehe. Man sagt: Man kann das Mädchen aus der Gosse, aber nicht die Gosse aus dem Mädchen rausholen. Und so ist das wohl auch mit der Armut. Denn sie ist immer noch da. Ganz unabhängig von meinem heutigen Kontostand und Bildungsstand.

Sie ist da, sieht mich an und sagt: Ach, weißt Du noch, damals? Und ich weiß noch, damals. Und bitte die Armut ganz freundlich, sich doch bitte zu verpissen. Aber das macht sie nicht. Sie freut sich über das Bewusstsein, das ich für sie entwickle, und rückt noch ein wenig näher an mich ran, bis ich ihren Atem wieder auf meiner Haut spüre. Aber weil ein Feind, den man kennt, manchmal weniger mächtig ist, sehe ich sie jetzt an. Sehe ihr in die Augen, ins Gesicht, auf jede ihrer Poren.

Armut ist, mit Anfang 20 für Mama einkaufen zu gehen und zu hoffen, dass sie einem bloß nicht das Geld zurückgibt. Armut ist der Blick auf die Preisschilder, auch wenn er nicht mehr nötig ist. Armut ist, zu denken, dass man eigentlich was abgeben sollte, statt zu sparen. Aber man spart aus Angst vor den schlechteren Zeiten. Armut ist Harz IV. Armut ist, was die Geschwister geerbt haben; denn Armut ist, was sich durch Generationen zieht.

Armut ist, wenn Du Dich als Kind für Dein Teuersein schämst. Armut ist, das dritte Kind zu sein in einem Staat, in dem Armutsrisiko ab dem dritten Kind exponentiell ansteigt. Armut ist, dass es Urlaub gibt, weil die Krankenkasse die Mutter-Kind-Kur bewilligt. Armut ist, wenn es nur am Anfang des Monats Bananen gibt. Armut ist, nicht fragen, ob man auf Ski-Freizeit oder Oxford-Austausch mit kann, weil Mama dann wieder an Medikamententests teilnimmt. Das gibt immerhin 50 €, aber fünf mal allergischer Ausschlag für fünf Tage Englandfahrt muss ja nicht. Will man auch nicht. Armut ist, dass Mama irgendwann so müde und so traurig wird. Oder furchtbar wütend.

Armut ist, wenn Papa schimpft, weil man doch fragen soll, wenn man was braucht, aber man verlernt hat zu sagen, wenn man was braucht; weil Papa sich nicht vorstellen kann, dass sein Kindesunterhalt nicht ausreicht für die Zahnspangen, die Brillen und die Klassenfahrten. Und weil Papa nie fragt, ob was ausreicht, weil andere Dinge wichtiger sind.

Armut ist, ganz früh zu wissen, dass man nicht besonders wichtig ist. Armut ist: Geschlagen werden auf dem Schulhof, weil die Kleidung nicht passt, geschweige denn gut aussieht. Armut ist, sich an das erste Mal zu erinnern, als man an der Eisdiele haben durfte, was man will. Und dass man einmal tatsächlich und wirklich im Fantasialand war, so in echt.

Armut ist, was sich die Menschen, die über Sozialgesetzgebung abstimmen, nicht vorstellen können. Armut ist, was sich Horst Seehofer nicht vorstellen kann, wenn er über Armutsflüchtlinge spricht. Absolute Armut ist etwas, das ich mir nicht vorstellen möchte, weil mir die relative schon zu viel ist. Denn egal, wie Du Dich duscht, Du kriegst sie nicht ab, und was Du auch tust, sie steht dort und packt Dich wieder und wieder da, wo es weh tut. Denn Armut ist Sucht und Depression, sich also ständig fragen: Ist das schon zu viel oder geht das noch so?

Armut ist ein Kreislauf, aus dem niemand so schnell ausbricht. Aber wenn man Glück hat, wenn man wirklich Glück hat, dann kann man eine Nische finden. Lesen und denken, sich interessieren. Rausgehen, in andere Welten. Und sich wiederfinden unter nicht-armen Menschen und sich deplatziert fühlen, fast so, als würde man lügen, wenn man sich so benimmt, als würde man dazugehören.

Armut ist: Sich schämen, wenn man mit Anfang 20 in der Küche sitzt und zögert. Und dann doch den Blick vom Brötchen nimmt und endlich! Endlich über Armut spricht.

Ich kann die Armut nicht mehr aus meinem Körper rausnehmen. Aber ich kann reden. Und ich sage: Danke, Mama. Danke fürs Sprechen, fürs Überwinden, fürs Verstehen. Und weißt Du, Mama … ich glaube, nicht wir müssen uns dafür, dass es Armut gibt, schämen.

[Autorin: Ella Elia Anschein, Celle]

Nein, jetzt kommt kein Spendenaufruf. Aber die dringliche Bitte, sich mit uns für die Anliegen der von Armut Betroffenen stark zu machen.

Frauen, Leben, Freiheit

Berlin, ein Freitag am Spätnachmitag, es nieselte. Und trotzdem kamen viele zum Brandenburger Tor um die Mahnwache, eine Kundgebung der iranischen Community, zu unterstützen. Denn: Der iranische Rapper Toomaj Salehi wurde vor kurzem von den iranischen Sicherheitsbehörden verhaftet. Wie viele regimekritische Künstler ist er nun in Lebensgefahr. Er wird gerade in Gefangenschaft gefoltert und seine Fans, Freunde und Familie und alle fürchten, dass er nicht überlebt. Toomaj ist einer der bekanntesten Rapper Irans und positioniert sich mit seinen Songs offen gegen das Unrechtsregime.

Die deutsche Regierung muss endlich tätig werden, darin waren sich die Anwesenden einig. Und sie skandierten: Hoch die internationale Solidarität!

Es war eine bewegende Veranstaltung, und ich wünsche mir, dass die Berliner Bürgermeisterin, den Wunsch eines Redners erfüllt: Frau Giffey, lassen Sie das Brandenburger Tor anstrahlen, zeigen Sie dort die Bilder der Opfer!

Antifaschistische Kundgebung für Erinnerungskultur

In Erinnerung an Ede und Unku

Am #b0810 stehen wir am Simsonweg/Ecke Scheidemannstr.  – dort läuft ein Demonstrationzug der AfD vorbei unter dem Motto:…

Nein, wir wiederholen das hier nicht! Solidarität ist unsere Alternative. Solidarität zuerst. Immer! Wir stehen ganz bewusst in der Nähe des Denkmals für die im Nationalsozialistmus ermordeten Sinti und Roma. Wir schirmen es ab – gegen Hass und Hetze – wenigstens symbolisch. Wir erzählen auch von Ede und Unku – von Freundschaft und Solidarität.

Das Elend an den Grenzen um die EU herum

Die EU sichert ihre Außengrenzen. Grenzposten werden verstärkt und Zäune aus Stacheldraht errichtet. Es ist noch gar nicht lange her, dass der letzte Eiserne Vorhang fiel. Und wir haben aus der Zeit davor nichts gelernt. Im Gegenteil! Wir treiben es jetzt noch schlimmer als während des letzten Kalten Krieges! Die Flüchtlingslager jenseits der Grenze zur EU sind Elendscamps!

Und im sogenannten Niemandsland entlang der polnisch-weißrussischen Grenze gibt es nicht einmal Lager! Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt harren Flüchtende in den Wäldern aus – frierend, hungernd, durstig und ohnmächtig! Schwangere verlieren ihre ungeborenen Kinder und die bereits geborenen sterben! Depressionen und Ängste grassieren; zu den Kriegstraumata tritt das Fluchttrauma!

Das vergleichsweise reiche Deutschland schaut tatenlos zu! Nein, nicht ganz Deutschland! Wir können helfen, indem wir an die Hilfsorganisationen vor Ort spenden!

Drei von vielen Möglichkeiten:

https://crm.ocalenie.org.pl/civicrm/contribute/transact?reset=1&id=31&lang=pl

https://salamlab.pl/pl/pomoc/

https://wir-packens-an.info/spenden/

(Bei Verständnisproblemen hilft Google Translate. Auf den polnischen Websites gibt es Buttons für die Sprachauswahl.)

DANKE!

DANKE! Rückblick und Aussicht – 1.8. – 29.8.2021 – Wir lassen es nicht wieder geschehen…

Am 1.8.2021 standen die Berliner OMAS GEGEN RECHTS/Deutschlandbündnis gemeinsam mit vielen Bündnispartner*innen als ein sichtbarer Schutz vor dem Denkmal der ermordeten Juden Europas in der Ebertstraße. Und es war gut, dass wir dort waren. Einige Versuche des Lifestreamings von Rechtsextremen konnten verhindert werden – und wenn gestreamt wurde, waren wir im Bilde, mit unseren sichtbaren Fragen: BEREICHERT IHR EUCH MIT ODER AN DIESEM LIVESTREAM?  IST DIE EIGENE MEINUNG UNANTASTBAR? IN WELCHER DIKTATUR GILT DAS RECHT AUF VERSAMMLUNGSFREIHEIT? HABT IHT NIE GELERNT EUCH AR-TI-ZU-KU-LIEREN?

Wir bedanken uns bei allen, die uns geholfen haben, ganz besonders bei:

PAO – Pankower aktivistische Organisation. Ein ganz fettes DANKE! Wann immer wir Euch in der letzten Zeit um Hilfe gebeten haben, Ihr habt uns unterstützt – mit Moderation und Technik und Eurem Da-Sein. Antifaschismus ist keine Frage des Alters!

VVN BdA – Danke für Eure Unterstützung, wie immer standen wir zusammen! (Das tun wir auch, wenn wir örtlich getrennt sind.)

AgR – Aufstehen gegen Rassismus – Eure Zeitung ist toll geworden und Euer Material nutzen wir ständig – DANKE!

SPD – Berlin / JUSOS – Danke für Eure Unterstützung durch „Sitzmöbel“ und Technik – DANKE für das Dabeisein (@Paula und auch an Anett, die in Gedanken bei uns war!)

Danke auch an unsere Freund*innen von der Anwohner*innen-Initiative für Zivilcourage gegen Rechts, an das Bündnis für ein weltoffenes Berlin, an Berlin gegen Nazis (was wären wir ohne Eure Infos?), an die Beamten der Berliner Polizei vor Ort (das haben wir leider auch schon anders erlebt!), wir danken den Mitarbeiter*innen des Denkmals für die ermordeten Juden Europas für ihr Verständnis für unsere Aktion, und wir bedanken uns bei den vielen Menschen, die einfach gekommen sind.

Teilgenommen haben OMAS GEGEN RECHTS vieler Gruppen, wir bedanken uns bei allen – sie kamen nicht nur aus Berlin, dabei waren auch: OMAS GEGEN RECHTS aus Halle, Kiel, Hamburg und Köln/Bonn und die Twitter-OMAS überall.

Ein großes Danke auch an die mit uns verbundenen „Aktionäre“ – getrennt an Orten, solidarisch im Kampf gegen Rechts und für Geradedenken – an die ANTIVERSCHWURBELTE AKTION und GERADEDENKEN. (Für Verschwörungstheoretiker – bitte beachten: In jeder OMA GEGEN RECHTS steckt mindestens eine Echse und eine GERADEDENKERIN!)

Aber seht selbst – Bilder sagen mehr als Worte.

LEIDER MÜSSEN WIR UNS AM 29.8.2021 WIEDER VOR DAS MAHNMAL STELLEN. Bitte unterstützt uns! Aufruf folgt.

Und übrigens:

So kaputt ist die Querdenkenbewegung (Artikel im Tagesspiegel)

 

Strandbad Plötzensee

Plötzensee: Strandbad ohne Nazis

Von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht und den selbsternannten „Volkslehrer“ Nikolai Nerling rausgeschmissen haben sie, nachdem der in der Strandbar gegen Juden und Ausländer zu pöbeln begonnen und den Holocaust geleugnet hatte.

Eine kleine Gesandtschaft der Berliner Initiative OMAS GEGEN RECHTS war heute dort, wärmte sich in wirklich netter Runde am Lagerfeuer und sicherte dem Betreiber und seinen Mitarbeiter*innen Solidarität zu.