OMAS GEGEN RECHTS Berlin  /  Deutschland-Bündnis

Ich stehe hier seit bald einem Jahr montags auf der Straße… (Josephs Rede auf dem Gegenprotest am 14.11.22)

Liebe Mit- und Gegendemonstrierende,
liebe Schaulustige und meine heißgeliebte Nachbarschaft
,

ich stehe hier seit bald einem Jahr montags auf der Straße und ich habe keine Lust mehr, montags auf der Straße zu stehen. Ich habe deutlich Besseres zu tun. Leider wird mir da keine Wahl gelassen. Denn wenn ich sehe und höre, was hier im Schatten unserer schönen Gethsemanekirche passiert, wird mir kotzübel.

Ich wohne seit 1990 im Gethsemane-Kiez. Ich bin hier aufgewachsen und habe im Alter von 4 das erste Mal den Knopf drücken dürfen, der die Glocken der Gethsemanekirche läuten lässt. Ich war noch im Bauch meiner Mama, als sie sich in dieser Kirche mit Gleichgesinnten traf und 1989 Lieder von Freiheit und Widerstand sang, bis die Mauer fiel und die Straßen dann erst von Bullen und dann mit Wessis geflutet wurden.

Heute schüttelt meine Mama den Kopf über die Menschen, die hier jeden Montag im immer grotesker anmutenden dissonanten Missklang versuchen, einen Hauch des Geistes des friedlichen politischen Widerstandes, für den die Gethsemanekirche immer stehen wird, für ihre Zwecke missbrauchen zu können. Ein Missklang, der mittlerweile jeden Montag von fünf bis halb zehn durch meine Fenster hallt und mir ganz gehörig auf den Senkel geht.

Fakt ist, dass es anmaßend und lächerlich ist, gegen eine vermeintliche Diktatur und noch vermeintlichere Regierungsgewalt auf der Straße zu demonstrieren, wenn man dies unter dem Schutz freundlich schmunzelnder Polizist*innen tut.

Wer tatsächlich gegen Diktaturen in der Heimat demonstriert, tut dies nicht unter Polizeischutz. Wer heute Bilder aus dem Iran, aus Afghanistan, aus Russland sieht, weiß, dass politischer Widerstand kein reißerischer Spruch in der Telegram-Gruppe, kein bissiger Kommentar unter einem YouTube-Video und kein Bahnfahren ohne Einhaltung der Maskenpflicht ist. Wer gegen Diktaturen aufbegehrt, tut dies unter Lebensgefahr.

Ich weiß, dass all die wunderbaren Menschen auf dieser Straßenseite solidarisch mit den Menschen im Iran, in Afghanistan und in Russland stehen, die aufgrund des Machthungers und der Gier ihrer Regierung Gewalt, Gefangenschaft oder Tod erleiden. Solidarisch mit den Geflüchteten aus der Ukraine, Armenien und jedem anderen Land, über dem ein paar alte Männer Bomben abwerfen lassen, um Profit zu schöpfen. Allein, dass ihr da drüben diese Solidaritätsbekundungen nicht geschlossen und uneingeschränkt unterschreiben könntet, sagt mir alles, sagt mir, dass ihr noch nicht mal den Schatten der Gethsemanekirche verdient habt.

Solidarität ist ein Fremdwort für euch. Und damit meine ich nicht nur die internationale Solidarität, sondern auch die mit dem Volk, welches ihr vorgebt zu sein. Solidarität mit den Armen, den Wohnungslosen, den Kranken und Immunkompromittierten, für die Schutz und Freiheit nicht nur ein paar schmissige Phrasen auf einem Transparent sind. Solidarität für die Familien und Freund*innen, die seit Beginn der Pandemie in Deutschland 156.000 geliebte Menschen an Covid haben sterben sehen. Und ich wäre vielleicht deutlich weniger sauer, wenn ich nicht zu denjenigen gehören würde, die erfahren mussten, wie ein durch Impfung vermeidbarer Tod an Covid Existenzen und Familien zerreißt.

Ihr redet von Frieden, aber fordert die bedingungslose Kapitulation vor Kriegstreibern und schert euch keinen Pfifferling um jene, deren Zuhause gerade jetzt zerstört wird. Ihr faselt von Freiheit, aber ihr meint immer nur eure eigene Freiheit von Sorge, Rücksicht und rudimentärer Medienkompetenz. Ihr trällert von Gesundheit und Selbstbestimmung, aber geht ohne Impfschutz oder sogar mit einer tödlichen Krankheit unter Leute, weil ihr sie für einen Schnupfen haltet. Ihr schwurbelt von Widerstand gegen die Diktatur, aber übt den Schulterschluss mit Faschisten, Antisemiten und Rassisten auf AfD-Demos, weil sie halt gerade eurer Meinung sind. Ihr krakeelt, dass ihr die Lügen der Medien durchschauen würdet, aber gebt euch mit der erstbesten Erklärung von einem Typen mit Kamera und Kanal zufrieden, weil sie irgendwie in euer Weltbild passt. Ihr seid nicht einmal des Zaunes der Gethsemanekirche würdig, den ihr mit euren Parolen beschmutzt. Ihr seid nicht das Volk, ihr seid bestenfalls ein paar nützliche Idioten. Ihr seid maximal der Widerstand zwischen mir und einem netten, ruhigen Montagabend. Hinter jedem und jeder einzelnen von euch steht eine Familie, die sich euretwegen in Grund und Boden schämt. Haut endlich ab und macht den Eingang zu unserer schönen Kirche frei!

Joseph

Frauen, Leben, Freiheit

Berlin, ein Freitag am Spätnachmitag, es nieselte. Und trotzdem kamen viele zum Brandenburger Tor um die Mahnwache, eine Kundgebung der iranischen Community, zu unterstützen. Denn: Der iranische Rapper Toomaj Salehi wurde vor kurzem von den iranischen Sicherheitsbehörden verhaftet. Wie viele regimekritische Künstler ist er nun in Lebensgefahr. Er wird gerade in Gefangenschaft gefoltert und seine Fans, Freunde und Familie und alle fürchten, dass er nicht überlebt. Toomaj ist einer der bekanntesten Rapper Irans und positioniert sich mit seinen Songs offen gegen das Unrechtsregime.

Die deutsche Regierung muss endlich tätig werden, darin waren sich die Anwesenden einig. Und sie skandierten: Hoch die internationale Solidarität!

Es war eine bewegende Veranstaltung, und ich wünsche mir, dass die Berliner Bürgermeisterin, den Wunsch eines Redners erfüllt: Frau Giffey, lassen Sie das Brandenburger Tor anstrahlen, zeigen Sie dort die Bilder der Opfer!

Der 8.10.22 – wir schirmten ab

Telefonat mit einem Freund. Ganz spät am Abend. Er fragt: „Wie war es denn?“ Dann habe ich zwei gegensätzliche Worte gesagt und weiß schon nicht mehr, welches ich zuerst sagte: Großartig oder schrecklich.

Großartig: Gute Reden – ein Grußwort von Romani Rose, Ferat Kocak und G. von uns – Danke!

Schrecklich war es, den marschierenden Massen zuzusehen, die da vorbeizogen. Egal ob 8000 oder 10000 – es waren viel zu viele.

Großartig – zusammen zu sein und zu wissen, dass wir gerade am richtigen Ort sind. Wir erinnerten in der Nähe des Mahnmals für die ermordetene Sinti und Roma an #Unku (Erna Lauenburger). Danke G. für das Vorlesen aus dem Buch „Ede und Unku“ von Alex Wedding. Erna Lauenburger starb in Auschwitz.

Schrecklich war es zu erleben, dass auf die Polizei kein Verlass ist – ich dachte so oft an Esther Bejarano.

Großartig: …und als es dann regnete, nicht nur ein wenig, es schüttete wie aus Kannen – da stellten sich die OMAS GEGEN RECHTS und ihre Freunde zusammen, Schirm an Schirm und boten einer kleinen Touristen-Gruppe aus Peru Schutz unter den Schirmen. Es gab ein gutes Gespräch, und wir wurden alle ein wenig nass, aber nicht so sehr.

Schrecklich: Das Bellen von Polizei-Hunden – mitten hinein in unsere Musik. Lin Jaldati. Wozu diese Hunde?

S´ brent! briderlekh, s´brent!
Oy, undzer orem shtetl nebekh brent!
Beyze vintn mit yirgozn
Raytn, brekhn un tseblozn
Shtarker nokh di vilde flamen,
Alts arum shoyn brent.

Großartig: Tanzende Sinti aus Tschechien als zufällige Gäste und eine kurze Rede von einem von ihnen. Sie waren, wie wir erfuhren, vorher am Denkmal und gedachten ihrer mehr als 50 getöteten Familienangehörigen.

Danke an die Vielen, die uns unterstützt haben, Jusos, Frauen gegen Rechts, Antiverschwurbelte Aktion, Jogida, OMAS GEGEN RECHTS Halle, OMAS GEGEN RECHTS Leipzig, Ferat Kocak, die Order*innen, ganz viele Antifaschist*innen und den Parlamentarischen Beobachter Ruppert Stüwe. Danke, dass Ihr so viele Stunden durchgehalten habt.

Hannah

PS.: Das war es vielleicht noch nicht! Die Auswertung unserer Erlebnisse mit der Polizei werden wir eventuell auch noch veröffentlichen. Wir tragen erst enmal zusammen.

Antifaschistische Kundgebung für Erinnerungskultur

In Erinnerung an Ede und Unku

Am #b0810 stehen wir am Simsonweg/Ecke Scheidemannstr.  – dort läuft ein Demonstrationzug der AfD vorbei unter dem Motto:…

Nein, wir wiederholen das hier nicht! Solidarität ist unsere Alternative. Solidarität zuerst. Immer! Wir stehen ganz bewusst in der Nähe des Denkmals für die im Nationalsozialistmus ermordeten Sinti und Roma. Wir schirmen es ab – gegen Hass und Hetze – wenigstens symbolisch. Wir erzählen auch von Ede und Unku – von Freundschaft und Solidarität.

Lesen bildet Meinung

Aus aktuellem Anlass wurde das Plenum der OMAS GEGEN RECHTS Berlin /Deutschland-Bündnis vorverlegt. Auch am 17.9.22 mussten OMAS nämlich auf die Straße – gegen rechte Politik. Gegen Fremdbestimmung über die Körper von Frauen; gegen den § 218 – für Selbstbestimmung.

Weshalb wir morgen, übermorgen, nächste Woche, am 8. Oktober und immer wieder auf die Straße müssen, das haben wir beim Plenum besprochen. Auch, was wir unterschrieben, was wir nicht machen (können oder wollen) haben wir diskutiert und waren uns nicht immer – aber meistens – einig. Gegessen und getrunken haben wir auch: Von HONG KONG FRIES mit gezupfter Ente bis EBI TEMPURA und von Wasser, über Limetten-Limonade bis zu Grünem Tee.

Und weil wir wissen, dass das Lesen bildet, zeigen wir Euch ein Bild von unserem Büchertisch, als Anregung und Bericht.

H.

buechertisch OMAS GEGEN RECHTS
Lesen bildet

Kiezfest an der Gethsemanekirche

„Fest zusammen im Kiez“ nannte die InitiativeGethsemanekiez ihr Fest, das am Sonnabend vielen Anwohner*innen Freude machte. Gespräche, Musik, Kinderfest… Eine kleine Ausstellung von „Berlin gegen Nazis“ und ein Stand der OMAS GEGEN RECHTS mit einer Verlosung ohne Nieten gleich nebenan boten Information und sogar garantiertes kleines Glück – wo hat man das schon?  Auf dem Fest gab es auch Luftballons und Gespräche und Saft und Wein und Pizza und Kuchen und sogar nahbare Politiker. Für beinahe Alles war also gesorgt, nur einige Veganer mussten etwas weiter laufen, fanden das Fest aber trotzdem schön.

Den paar Helden, die sich verabredet hatten, um die OMAS zu nerven und die im Telegramkanal später verkündeten, sie hätten die „Omas müde geredet“ sei mitgeteilt: Wir sind nicht so dumm, unsere Lebenszeit mit Euch zu verschwenden und wach genug, um Woche für Woche am Montag im Gegenprotest zu stehen. Bis die Anwohner Ruhe haben und Ihr zu Hause bleibt.

Ein DANKE an alle Organisator*innen, Musiker*innen, an die Gastronomen, die Standbetreuer*innen, ein Danke den Ordner*innen – den Anwohner*innen – bis bald!

Immer wieder montags….

Immer wieder am Montag stehen die OMAS GEGEN RECHTS Berlin /DEUTSCHLAND-BÜNDNIS gemeinsam mit vielen anderen Antifaschist*innen im Gegenprotest an der Gethsemanekirche – genauer: Der Kirche gegenüber. Wo genau wir stehen, erfindet die Polizei jedesmal neu. Mal an der Stargarder Str. 6 (wie angemeldet) – mal auch auf der anderen Seite der Greifenhagener. Mal mit vielen Gittern vor uns – mal ohne Gitter. Nach vielen Wochen können wir einschätzen, dass ein System nicht erkennbar wird. Nur eines ist deutlich: Wir stehen in jedem Fall richtig! Für eine solidarische Gesellschaft und gegen Querdenker*innen und ihr braunes Gepäck.

#b1209 Gethsemanekirche